• Aus dem Leben eines Wanderers

    Kapitel II

    Mevlana

    1. Vorwort

    Vorab sei gesagt: die Erlebnisse aus diesem Kapitel ereigneten sich bereits vor zwei Monaten, also Ende April, doch da mir das Thema gar so wichtig war und gleichzeitig die Reise mich weiter gut beschäftigt hielt, feilte ich bis heute an diesem Kapitel und so sieht es erst jetzt das Licht der Welt bzw. des Internets.

    Viel Spaß beim Lesen, Hören und Schauen!

    2. Turn on, tune in, drop out

    Los geht es diesmal gleich am Anfang mit Musik.

    Hol dir Kopfhörer, setz dich hin, schließe die Augen und hör zu, solange du willst:

    3. Der Weg zu Mevlana

    Es gibt ja Momente im Leben, da sendet das Universum dir Zeichen, um aufzuzeigen, wohin es dich leiten möchte. Es sendet sie manchmal sanft mit Schmetterlingen, ein andermal winkt es vor deinem Gesicht mit einem Zaunpfahl und dann wiederum gibt es Momente, da kommt es mit dem Rammbock zur Tür hinein gerannt – und trotzdem verstehst du nicht was es von dir will.

    Eine solche Begebenheit trug sich mir zu. Aber fangen wir am Anfang an:

    Ich verbrachte knapp zwei Wochen mit Mary in der Türkei. Wir waren in den Felsenstädten Kappadokiens, in dem schönen Dörfchen Güzelyurt und Campen in Anamur, dem südlichsten Punkt der Türkei. Es waren Tage außerhalb der Zeit – glückliche Tage.

    Das Momentum dieser Energie nutzend, brach ich noch am Tag des Abschieds auf, um des Visas wegen die irakische Botschaft in Ankara aufzusuchen. Indes, der Weg führte mich über die Stadt Konya, in der ich vom Bus auf die Bahn wechseln sollte. Doch als ich mich am Bahnhof in Konya einfand, erfuhr ich an der Kasse, es seien heute alle Züge ausgebucht.

    In mir ging gleich der Film los: „Wie ausgebucht?! Aber ich will doch weiter! Da passe ich doch wohl noch rein!“ – ein Ärger, dass meine Pläne einfach so durchkreuzt wurden, wo ich doch jetzt so klar wusste was ich wollte.

    Doch dann tauchte ein anderer Gedanke auf: „Was, wenn das schon seine Richtigkeit hat und es so geschrieben steht? Was habe ich zu verlieren, an Zeit bin ich ja reich?“.

    Ich lief also durch diese mir unbekannte Stadt, die vorher nie mein Interesse auf sich gezogen hatte. Als ich gerade auf meine Unterkunft zusteuerte, sprach mich ein Mann auf der Straße an. Er heiße Ali, arbeite in einem Teppichladen und fragte, ob ich die Derwisch Show sehen möchte. Die Derwisch Show? Sind das nicht diese drehenden Menschen mit langen Gewändern, sicher entstammend einem schönen Brauch, der nun aber touristisch gekapert wurde? Puh ich weiß ja nicht.

    Aber Ali war sehr freundlich und auf die Frage wo ich gut essen könne, nahm er mich kurzerhand mit zu seinem Lieblingsrestaurant. Dort angekommen setzen wir uns aufgrund des Platzmangels an einen Tisch an dem bereits eine andere Frau saß. Wir kamen schnell ins Gespräch, es stellte sich heraus sie war aus Estland, Ali lud auch sie ein – und schon waren wir eine Dreiergruppe.

    Die Art und Weise, wie Ali die Menschen einlud (es sollte nicht nur bei mir und der estländischen Frau bleiben), gab mir ein immer besseres Gefühl, und schließlich war ich gespannt, was mich erwarten sollte. Mit einem Dolmus, den dort üblichen Mitfahrtaxis, fuhren wir ein Stück aus der Stadt heraus und kamen an einem großen Platz an. Die Sonne ging gerade unter und tauchte alles in ihr rotes Licht – es lag ein Zauber in der Luft.

    Wir gingen über den Platz auf ein großes Gebäude zu, worin sich ein großzügiger Innenhof befand. Im Kreuzgang hatten sich wiederum viele kleine Handwerksläden angesiedelt. Es wurden dort altertümliche Instrumente gebaut, wundersame Blätter mit Kalligraphien gestaltet, hohe Hüte gefilzt und allerlei kleiner Schmuckstücke ausgestellt.

    Wir hatten noch etwas Zeit, bis die Zeremonie losgehen sollte und um meinen Rucksack abzulegen besuchten wir Yunus in seinem Hutladen. Ach was war Yunus für ein guter Mensch! Gar schöne Hüte fertigte er dort an und ich durfte ihm dabei zusehen.

    Dann ging die Zeremonie los:

    Durch eine Flügeltür ging es in die Semâhâne, eine große Halle, in deren Mitte sich ein runder Paketboden befand. Am Rande davon nahmen wir Platz.

    Auf einer Leinwand auf der gegenüberliegenden Seite stand:

    Es-Semî (cc)

    „Her şeyi en iyi işiten“

    The All Hearer.

    Und danach:

    Meydan-ı Serîfe girilirken sessiz ve sözsüz olunması; Allah (cc) indinde herkesin ahsen-i takvim üzere (yani en güzel surette) yaratılma iradesiyle mevcut olduğunu göstermektedir.
    Bu durum Allah (cc)’ın ilminde dünyaya doğmadan evvel de var olduğumuza işarettir.

    Was übersetzt so viel heißt wie:

    Im Schweigen und in der Wortlosigkeit beim Betreten des Platzes offenbart sich, dass es Allahs Wille ist, dass ein jeder aus der schönsten Form geschaffen wurde. Es zeigt uns, dass wir im Wissen Allahs bereits existierten, bevor wir in diese Welt hineingeboren wurden.

    Die Stille als Anfangspunkt dieser Zeremonie und darüber hinaus – ab diesem Moment hatte ich dieses warme Gefühl, dass alles genau so richtig war, wie es gekommen ist.

    Es betraten das Orchester, die Derwische und der Shekir den Raum und für die nächsten eineinhalb Stunden nahmen sie uns mit in ihren Zauber.

    Diesen Zauber vollends einzufangen ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit, doch gar schön ist es in dem kleinen Büchlein Monsieur Ibrahim und die Blumen des Islam beschrieben, als Ibrahim den Jungen Momo zu einer Zeremonie mitnimmt:

    Und da habe ich zum ersten Mal die sich drehenden Männer gesehen. Die Derwische trugen lange, helle, schwere, weiche Gewänder. Eine Trommel erklang. Und die Mönche verwandelten sich in Kreisel.

    »Siehst du, Momo, sie drehen sich um sich selbst, sie drehen sich um ihr Herz, um den Ort, wo Gott wohnt. Das ist wie ein Gebet.«

    »Das nennen Sie beten?«

    »Aber ja, Momo. Sie verlieren jede Bindung an die Erde, diese Schwere, die man Gleichgewicht nennt, sie werden zu Fackeln, die in einem großen Feuer verbrennen.«

    Ich war, bei der Betrachtung dieser Zeremonie, voll von der Hingabe an Gott eingenommen. Doch in einem Moment, in dem ich aus der Versenkung auftauchte, besann ich mich und fertigte, trotz des Wissens der Unzulänglichkeit jeglicher technischer Konservierungsversuche, eine kurze Tonaufnahme an, die ich nun hier teilen kann. Wer genau hinhört, kann das Schleifen der Schuhe bei der Drehung hören:

    Was ich erst später erfuhr, war die Tatsache, dass die Zeremonie, der ich hier beiwohnte, von solcher Art beschaffen war, dass der lokale Orden kostenlos dazu einlud ihrem Glaubensritual beizuwohnen, während es keine 500 Meter davon entfernt große touristische Spektakel gibt, die sicher auch nett anzusehen sind, aber wenig nur noch mit der Hingabe und Kostbarkeit zu tun haben, die ich hier erleben durfte.

    Ich bin Ali über alle Maßen dankbar, dass er mir diesen Abend ermöglicht hat.

    ~*~

    Noch bei der Heimfahrt unterhielt ich mich mit Raffa, den ich auch dort kennengelernt hatte, und er erwähnte all die besonderen Orte der Stadt die Mevlana gewidmet waren. „Dieser Mevlana muss wohl ein berühmter Mann gewesen sein. Vielleicht so etwas wie ein König.“ dachte ich noch. Ali bestand darauf, dass ich des nächsten Tages das Mevlana Museum besuchen müsse und als ich Tags drauf also das Museum betrat, fand ich eine Tafel vor mir der Inschrift (übersetzt):

    HZ. MEVLANAS SIEBEN RATSCHLÄGE

    In deiner Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft sei wie der Fluss.

    In deinem Mitgefühl und deinem Wohlwollen sei wie die Sonne.

    Im Verdecken der Fehler Anderer, sei wie die Nacht.

    In deiner Wut und deinem Zorn sei wie ein Toter.

    In deiner Bescheidenheit und Zurückhaltung sei wie die Erde.

    In deiner Toleranz sei wie das Meer.

    Zeige dich, wie du bist, oder sei, wie du dich zeigst.

    „Mensch, dieser Mevlana, das muss ja ein kluger König gewesen sein!“ dachte ich, betrat dann das Museum, holte mir einen Audioguide und hörte zu wie die Stimme von einem Mevlanâ Celaleddin Rumi sprach – und plötzlich fiel der Groschen: Mevlana ist Rumi und Rumi ist Mevlana!

    Ach wie blind war ich doch gewesen! Die ganze Stadt dreht sich um Rumi und Rumi dreht sich um sein eigenes Herz und Allah darin – und ich hatte es bis jetzt nicht begriffen.

    So kam Mevlana Rumi also zu mir und ich zu Mevlana Rumi.

    Erst da wurde mir mein Glück so richtig bewusst – ach wie schön war sich das alles ausgegangen und welches Glück hatte ich doch mit diesen Menschen gehabt.

    4. Menschen

    Kommen wir nun auf Ali zu sprechen, schließlich habe ich ihm das hier alles zu verdanken.

    Ali war der Grund, dass mein Aufenthalt in Konya zu so einem besonderen Moment wurde. Wir hatten viele und lange Gespräche und am Ende lud er mich auch zu sich nach Hause zum Übernachten ein.

    Ali ist nicht nur Professor an der Uni in Ankara, begnadeter Redner zu allen möglichen Themen, sondern eben auch, zusammen mit Kerim, Leiter des Teppichladens ‚Kilimji Baba‘, ein Teppichladen, der seinesgleichen sucht.

    Der Laden ist versteckt in einem Handwerksgebäude und misst in seiner Gesamtheit nicht mehr als 30 Quadratmeter. Darin? Massen verschiedener Teppiche. Diese kommen aus allen verschiedenen Teilen der Welt, sind aus Seide oder Wolle geknüpft und von Gebetsteppichen, Satteltaschen bis Wandteppichen ist alles dabei.

    Und doch sind die Teppiche nicht die Hauptattraktion. Die Hauptattraktion, das sind die beiden, Ali und Kerim, selbst. Solch gute Menschen, die es schaffen dir mit ihrer Herzlichkeit eine gute Zeit zu schenken.

    Das Resultat ist, dass ihr Laden als einer der besten geschätzt wird von Menschen rund um die Welt. Ihre Bewertung auf Google ist eine glatte 5 von 5 und sie werden von Lobesworten nur so überschüttet. Ein Filmemacher war einst sogar so begeistert, dass er einen kostenlosen Film, im Stile einer Hochglanzwerbung, über diesen Ort erstellt (Hier ein Link für die interessierten: https://www.instagram.com/reel/CyOwji_ICyb/).

    Das alles hätte ich ohne Ali nie kennengelernt. So schön, können zufällige Begegnungen sein.

    5. Fotos

    Die Stimmung vor der Semâhâne
    Yunus bei der Arbeit
    Ein unscheinbares Schild…
    … und ein prunkvoller Inhalt
    Kerim und Ali
    Zusammen mit Kerim und einem Hut von Yunus
    Kerims legendärer Flip
    Abschied
    Ein Besuch in der zentralen Moschee
    Das Mevlana Museum
    Rumis letzte Stätte
    Die Kuppel über Rumis Semâhâne
    Abfahrt

    6. Wissenswertes – Rumi

    Und hier wieder die Ecke für Wissenswertes, im Stile eines Schulreferates.

    Rumi, stabiler Typ. Wächst in Balch, im heutigen Afghanistan auf. Seine Familie muss dann aber von den herannahenden Mongolen flüchten, cue: Cengiz&Gang.

    Nach einigem Hinundherreisen bekommt der Vater eine Einladung des Sultans der Rum-Selcuken als Gelehrter und geistlicher Führer in Konya zu bleiben. Sein Vater wird geliebt vom Volk, doch als er stirbt erwarten die Menschen von Lil‘ Rumi, dass er so gut ist wie sein Vater – uff tough one. Aber er macht sich ran und bald wird er ähnlich geliebt wie sein Vater – Goldjunge.

    Life is good, er hat Rizz, Frau und Kinder, doch eines Tages taucht Shams in sein Leben auf. Shams: Mysteriöser Typ, umherziehender Derwisch, der Rumis Verständnis von Gott nochmal komplett skyrocken lässt. Mit seiner Art und seinen Gedanken trifft er Rumi mitten ins Herz – Bromance.

    Gebt euch allein die Story wie sie sich kennengelernt haben sollen:

    Auf dem Markt von Konya, zwischen Stoffverkäufern, Zuckerhändlern und Gemüseständen, ritt Rumi durch die Straße, umgeben von seinen Schülern. Shams, der gerade in die Stadt gekommen war, ergriff die Zügel seines Esels und stellte dem Meister, ohne ihm viel Respekt zu zollen, die Frage. „Wer war der größere Mystiker, Bayazid [ein damals berühmter Sufi-Heiliger] oder Muhammad?“, forderte Shams ihn heraus. „Was für eine seltsame Frage, Muhammad ist größer als alle Heiligen!“, antwortete Rumi.

    „Warum sagte dann Muhammad zu Gott: ‚Ich kannte dich nicht, wie ich sollte‘, während Bayazid verkündete: ‚Glorie sei mir! Wie erhaben ist meine Herrlichkeit!‘ [das heißt, er beanspruchte den Rang Gottes selbst]?“ Rumi erklärte, dass Muhammad der Größere von beiden war, weil Bayazid durch eine einzige Erfahrung göttlicher Erfahrung bis zum Rand gefüllt werden konnte. Er verlor sich vollständig und war damit gesättigt. Muhammads Kapazität dagegen war unbegrenzt und konnte niemals gefüllt werden. Sein Verlangen war endlos, und er war immer durstig. Mit jedem Moment kam er Gott näher und bereute dann seinen früheren Zustand, zu dem er ihm noch ferner gewesen war. Aus diesem Grund sagte er: „Ich habe dich nie so gekannt, wie ich sollte“.

    Es wird berichtet, dass Rumi nach diesem Wortwechsel spürte, wie sich ein Fenster in seinem Kopf öffnete, und er Rauch zum Himmel aufsteigen sah.

    Dann schrie er auf, fiel zu Boden und verlor für eine Stunde das Bewusstsein. Shams wiederum erkannte beim Zuhören Rumis Worte, dass er dem Gegenstand seiner Sehnsucht gegenüberstand, demjenigen, den er Gott gebeten hatte, ihm zu senden. Als Rumi erwachte, nahm er Shams‘ Hand und die beiden kehrten zusammen zu Rumis Haus zurück.

    Eine andere Geschichte über ihre erste Begegnung hat einen anderen Spin und geht so:

    Eines Tages las Rumi in der Stadt und hatte neben sich einen großen Stapel Bücher. Shams, der vorbeikam, fragte ihn: „Was tust du da?“ Rumi, der ihn als ungebildeten Fremden abtat, antwortete: „Etwas, das du nicht verstehen kannst.“ Als Shams dies hörte, warf er den Bücherstapel in einen nahe gelegenen Brunnen. Rumi sprang hinterher, um die Bücher zu retten, doch bemerkte zu seiner Verwunderung, dass sie alle trocken waren. Rumi fragte Shams: „Wie kann das sein?“ Daraufhin antwortete Shams: „Meister, das ist etwas, das von Gelehrten wie dir, nicht verstanden werden kann.“

    Wie dem auch sei, fest steht, dass die beiden ab da ein Herz und eine Seele sind. Andere finden das aber überhaupt nicht cool und sehen bald in Shams den Grund für Rumis Rückzug aus dem öffentlichen Leben – jealous!

    Shams verlässt auf jeden Fall erst mal die City, um dann nochmal wiederzukommen, aber verschwindet dann für immer. Manche sagen auch das war nicht freiwillig – sus!

    Jedenfalls ist Rumi heartbroken. ‚Shams‘ übersetzt heißt Sonne und Rumi nannte ihn auch die Sonne, die ihm den Weg hin zu Allah geleuchtet hat. Junge, das geht tiefer als Romeo und Julia. Jedenfalls schreibt er dann noch mehr Gedichte und eines Tages als er die Straße entlang läuft, hört er Musik und fängt an sich zu drehen. Er entdeckt dadurch einen neuen Zugang zu Allah, dem Verständnis des ewigen Kreislaufes und einer Loslösung vom Ego – in kurz: es wird sein Signaturmove.

    Die Krönung seiner Schreibkunst ist Masnavi, ein Werk bestehend aus 6 Bänden und 25.000 Doppelreimen – da kann selbst Eko Fresh mit ‚1000 Bars’ einpacken.

    Zudem entwickelt sich durch ihn der Mevlevi Orden. Ein Sufi Orden, der noch heute existiert und eben bekannt für die sich drehenden Derwische ist.

    Er stirbt am 17. Dezember 1273 und nannte seinen Tod die Hochzeit mit Gott – wallah, der Junge lebte was er sagte.

    ~*~

    Um euch mal eine Kostprobe zu geben, was für Banger der Junge rausgehauen hat, ist der nächste Abschnitt seinen Worten gewidmet.

    Peace!

    7. Rumi mit seinen eigenen Worte

    Es gäbe nun endlos viel von Rumi zu zitieren, aber ich belasse es bei zwei Zitaten, die zu dieser Zeit, am meisten in mir etwas bewegen:

    Lass Dich ziehen von dem leisen Sog dessen, was Du wirklich liebst! Er wird dich nicht in die Irre führen.

    Die Brise in der Morgendämmerung hat dir Geheimnisse zu erzählen.
    Leg dich nicht wieder schlafen.
    Du musst um das bitten, was du wirklich willst.
    Leg dich nicht wieder schlafen.
    Menschen gehen hin und her über die Türschwelle
    wo sich die beiden Welten berühren.
    Die Tür ist rund und offen.
    Leg dich nicht wieder schlafen

    ~*~

    Und wer noch nicht genug hat, dem sei noch eine Vertonung seines Gedichtes Man-o to (übersetzt „Ich und du“) ans Herz gelegt. Es entstammt seinem anderen berühmten Werk, dem Dīwān-e Schams, das Rumi zu Ehren Shams geschrieben hat.

    Einmal als reine Singversion:

    Und wenn es mehr knallen soll, als Version des DJs Nu:

    Das war’s für dieses mal, es geht weiter Richtung Sonnenaufgang.

    All die Liebe

    Jona

  • Aus dem Leben eines Wanderers

    I

    Lykischer Weg

    Einleitung

    Liebe Freundinnen und Freunde,

    ich freue mich wie Bolle, euch die erste Ausgabe dieses Magazins vorstellen zu dürfen.

    Die Idee entsprang der Bestrebung die einzelnen Fetzen, die ich hier ja so in den Wochen hochlud, zu etwas Größerem zusammenzufassen.

    So ist dies nun der erste Wurf und ich bin gespannt, wohin es weiter geht.

    Es ist eingeteilt in verschiedene Rubriken, die da heißen: eine Einordnung wo ich mich gerade befinde (1.), Wissenswertes von dieser Reise (2.), Geschichten mit und von den Menschen, die ich antreffe (3.), eine Fotogalerie (4.), ein Tagebucheintrag (5.), die Witzeecke (6.) und zu guter Letzt eine Meditation (7.).

    Wohlan, ich wünsche viel Freude beim Lesen!

    All die Liebe
    Jona

    1. Wo bin ich?

    Hier:

    In der wunderschönen Stadt Kaş, nachdem ich die letzten Tage den Lykischen Weg an der Westküste der Türkei gelaufen bin.

    Davor verbrachten Laurin und ich noch knapp 4 Wochen gemeinsame Zeit und schon ist mehr als ein Monat rum.

    Vermutlich werde ich auch noch drei weitere Wochen in der Türkei sein, zwei allein davon gemeinsam mit Mary, die mich besuchen wird, bevor es dann weiter Richtung Sonnenaufgang geht.

    2. Wissenswertes von dieser Reise

    Die Lykier. Spannendes Völkchen. Ihre ersten Spuren gehen zurück bis in die Bronzezeit (think: ihre Ahnen waren damit etwa soweit von Jesus weg wie wir, nur andersherum).

    Sie lagen an einem strategisch günstigen Ort, denn aus Ost oder West kam immer jemand vorbei und wollte was handeln. Geld war da, und es heißt, sie hatten sogar eine Demokratie.

    Und gleichzeitig lagen sie an einem strategisch total beschissenen Ort, denn aus Ost und West kam immer jemand vorbei und haute ihn eins auf die Nase. Perser, Alexander der Große, Griechen, Römer, Araber.

    Ihre beste Strategie dagegen? Einfach die Kultur aufnehmen. (Think: du bist beim Völkerball der letzte auf dem Feld. Das Beste, was du machen kannst, ist einfach die Bälle, die auf dich geworfen werden, zu fangen).
    Am heftigsten taten sie es bei den Griechen.
    So krass, dass die Hauptstadt des lykischen Bundes, Patara, einst eine ähnliche Reputation wie Delphi gehabt haben soll. Ja es hieß sogar, im Winter wäre das Orakel in Patara und im Sommer in Delphi gewesen.
    Say what!

    Doch all good things come to an end und nachdem das byzantinische Reich nochmal überall Klöster hingebaut hatte, kamen die Araber im 7. Jahrhundert und die Gegend verlor an Bedeutung.

    Was noch erhalten geblieben ist?
    Gräber. Überall Gräber.
    Gräbern in die Erde gehauen, Gräber in Felswände gehauen oder gleich die Gräber auf vier Meter hohe Säulen gebaut.

    Und Amphitheater: Groß, klein, mit großen Rampen für die Gladiatoren oder mit Bühnen für Theaterstücke.

    Und das sind mit Abstand die coolsten Orte, noch heute. Allein hier in Kaş werden sie am Morgen für Yoga und am Abend als Treffpunkt und zum Musik machen genutzt.

    Und was ist dann der Lykische Weg?
    Der Lykische Weg ist der erste lange und gekennzeichnete Wanderweg der Türkei. Er verläuft an der Küste der Süd-Westtürkei. Er hat eine Länge von 540 km und bei normalem Tempo braucht es 29 Tage um ihn zu laufen. Die Strecke besteht aus Straßen, Feldwegen und meist einfachen Wanderwegen.

    Es war nicht der Weg, den die Lykier damals selbst gelaufen sind, sondern er verbindet einfach nur wichtige Orte dieses Völkchens.

    Er wurde 1999 von der englischen/türkischen Historikerin, Kate Clow, erforscht, entworfen und gekennzeichnet.

    Ich lief nicht den ganzen Weg, sondern nur von Fethiye nach Kaş, also 9 Tage durch wunderschöne Landschaften, hoch in die Berge, wieder runter ans Meer, durch kleine Dörfer und die wunderschöne, frühlingshafte und teils sommerliche Natur.

    Ich war selbst überrascht wie viel Geschichte hier überall zu finden ist. Und oft so nebenbei. Einmal schlief ich unter einem Aquädukt, ein andermal in einer Ruine. Dann hieß es von einem Ort, dort wäre Maria geboren, beim anderen St. Nikolaus.

    Und trotz all der Geschichte und Natur waren das Schönste und Überraschendste wohl die Begegnungen mit den Menschen, also ab zur nächsten Rubrik.

    3. Menschen

    Nun gäbe es ja so viel zu erzählen, doch ich nehme mal einen Tag heraus, der doch durch seine schnelle Abfolge herausstach:

    Es war am vierten Tag meiner Wanderung, als ich am Morgen an den Strand von Patara kam. Ein riesiger Sandstrand, breit und Kilometer lang und bekannt für seine Schildkröten.

    Ich hatte jedoch kein Wasser und Essen mehr und lief deshalb von dort ins Landesinnere in der Hoffnung dort etwas zu finden. Hinter dem Strand liegt ein Moor und die Feuchtigkeit und Sonne nutzend, haben sich dort unzählige Tomatenbauern niedergelassen. Ich habe noch nie so viele Tomaten gesehen (mir wurde gesagt besonders Deutschland und Russland werden von hier aus beliefert).

    Und als ich gerade eine Pause von der Wanderung unter einem Baum machen wollte, sprach mich einer der Tomatenbauern an, erzählte mir von seiner Familie und nach einer Weile ging er weg und kam mit einer großen Tüte Tomaten zurück. Beschenkt lief ich weiter und gerade als ich mich müde all der wiederholenden Gewächshäuser fand, hielt neben mir eine Auto und bot mir an mich mitzunehmen. So saß ich also in dem Auto, wir hörten türkische Musik und er erzählte aus seinem Leben – wie so oft: Fetzen Türkisch, Fetzen Englisch und den Rest regelt Google Translate.

    Als ich später weiter lief und die Sonne gerade im Begriff war unterzugehen, kam ich durch die Gegend, in der all die Arbeiterinnen und Arbeiter für die Tomatenfarmen lebten. Eine lange Straße gesäumt mit einfachen Häusern, manchmal nur Beschlägen und Hütten.

    Ich lief also gerade an einem der Häuser vorbei, als ein älterer Herr mich ansprach und nach dem üblichen fragte: „Woher kommst du? Wohin gehst du?“ und als wir so ein wenig sprachen, lud er mich ein mich hinzusetzen. Die ganze Familie kam und zugleich wurde Tee, Oliven und frisches Gözleme gebracht. Und dieses Gözleme sollte es in sich haben, denn vor dem Haus befand sich ein großer Ofen und gerade in diesem Moment meines Aufenthalts wurden dort frisch diese türkischen Pfannkuchen zubereitet.

    Als ich schon hochgesättigt war, wurde noch darauf bestanden mir ein Reiseproviant zusammenzustellen und mir in die Hand zu drücken.

    Als ich am Ende dem Herrn noch Geld geben wollte, hat er vehement abgelehnt – ich sollte vollumfänglich eingeladen sein.

    Nach dem Abschied war ich keine hundert Meter gelaufen, es war mittlerweile dunkel und der Weg war noch lang, als mir ein Rollerfahrer anbot mich mitzunehmen, er mich dann an der nächsten größeren Kreuzung absetzte, um mir dann eine Weiterfahrt auf einem Traktor zu organisieren, die mich wieder vor bis an den Strand brachte.

    Es passiert oft so schnell und so unerwartet, dass der Kopf und das Herz gar nicht mitkommen alles zu verarbeiten und oft, erst wenn ich des Abends daniederliege und sich alles setzt, kommt dieses Gefühl der Wärme wie eine Welle und umhüllt mich.

    4. Fotos

    5. Tagebuch

    In der Paradiesbucht

    Es ist noch kühl am Morgen. 
    Kühl und still.
    Der Geruch der Pinienbäume liegt in der Luft.
    Nur ein paar Vögel singen und von unten dringt der Klang der Wellen, wie sie gegen die Klippen schlagen.
    Das Wasser ist türkis am Rand und wird tief blau je weiter es hinaus geht.

    Noch eine Bucht weiter, noch über eine Kuppe drüber, und dann bist du da.
    Sie wird die Paradiesbucht genannt.

    Du ziehst die Sandalen aus, läufst durch den weichen Sand ans Wasser und stellst dich in die Wellen.
    Jede Welle umspielt dich, jede Welle auf ihre Weise und wenn du genau hinhörst, kannst du ihre Melodien hören.
    Das Donnern der Welle, wenn sie sich endlich im Sturz erlöst und es am Ende ihrer Reise nochmal so richtig krachen lässt.
    Das Zischen des Schaumes, Zeuge dieser fulminanten Feier, ganz so als ob ein riesengroßes Bier eingeschenkt worden wäre.
    Das Murmeln der vielen kleinen Steine, die wie Krebse der nahezu schon verschwundenen Welle hinterherlaufen, um auch in der Weite des Meeres aufzugehen.
    Und wieder von vorn. So spielt die Melodie.

    Und dann kommt die eine Welle und spritzt dich bis zur Hüfte nass – „ja mein Lieber, schreiben kannst du über uns so viel du willst, aber am Ende tanzt hier immer noch alles nach unserer Musik.“

    6. Witzecke

    Es ist ja so, manchmal geht einem als Wanderer einfach der Gaul durch. Sei es aus Langeweile oder sei es um den Strapazen wie Hunger, Durst, Muskelschmerz oder anderem zu entfliehen.
    Diese Rubrik ist also dem Gaulenschmaus gewidmet.

    Der Nachthimmel der Türkei

    Der Nachthimmel der Türkei ist ja höchst sonderbar.
    Der Mond nimmt entweder die Form einer Schüssel oder die einer Haube an.
    Der große Wagen indes erscheint hier im besten Fall gekippt, ansonsten einfach ausgeleert.
    Und das hat folgende Legende:

    Es lebte einmal der erwürdige Bürgermeister von Kaleçite, einmal kleinen verschlafenen Vorort von Damantiğü. Er war ein ruhiger Mann und wenn er etwas sagte, dann war es immer wohl überlegt. Gerade dafür wurde er allerseits in dem Dorf sehr geschätzt.
    Neben dem Regieren hatte dieser Bürgermeister aber auch noch eine Tätigkeit, der er sehr gerne nachging: das war das Schwimmen. Denn man muss dazu wissen, dass dieses Dorf ein sehr großes Schwimmbad hatte, auf das die Leute sehr stolz waren.

    Jeden Morgen ging also der Bürgermeister von Kaleçite schwimmen. Fein säuberlich legte er am Abend zuvor seine Badekappe neben die Haustür, damit er sie am Morgen nicht vergesse. Im Schwimmbad angekommen setzte er dann seine Badekappe auf und schwamm seine Bahnen. Jeden Tag, seit 40 Jahren ging das so.

    Doch eines Morgens, wachte er ganz übermüdet auf. Denn der vorhergehende Abend ging lang, es wurde nämlich über eine Erweiterung des Schwimmbads diskutiert und dazu hat jede und jeder im Dorf etwas zu sagen. Zu allem Überfluss hatte er, als er von dem langen Abend nach Hause kam, auch noch vergessen seine Schwimmkappe herauszulegen.

    Als er dann so übermüdet am Morgen im Schwimmbad ankam, fiel ihm erst dort auf, dass er anstatt der Badekappe, die Schüssel, in die er die Badekappe neben der Tür zu legen pflegte, mitgenommen hatte.

    Und so gefasst, wie er alle Zeit sonst war, nein, das war zu fiel für ihn. Und er rief den berühmten Spruch aus: „Esçe kon mürhan yak waliham!“. Was übersetzt so viel bedeutet wie „Ja da kippt mir doch einer die Schubkarre aus!“. Er rief es so wie wir etwas rufen würden wie „Ja, das ist ja zum Mäuse melken!“ oder „Ja, da dreht sich doch der Hund im Grab um!“, genau so rief also der Bürgermeister von Kaleçite in dem Moment als er bemerkte, dass er seine Schüssel mit der Badekappe verwechselt hatte „Esçe kon mürhan yak waliham!“.

    Nun hatte Bürgermeister Glück, denn so früh am Morgen war sonst niemand im Schwimmbad zugegen, der seinen Aufschrei hätte hören können. Doch die Sterne und der Mond, die hörten seinen Aufschrei sehr wohl.

    So kommt es also, dass in der Türkei seitdem die Sterne und der Mond den Bürgermeister von Kaleçite mit Haube, Schüssel und umgedrehtem großem Wagen am Nachthimmel verewigen.

    7. Meditation

    Es war am zweiten Tag, ich lief schon eine Weile, es war heiß und das Wasser wurde knapp. Eine eingezeichnete Quelle war vertrocknet und ich teilte mir das letzte Wasser ein, nicht wissend, wann die nächste Wasserstelle kommen würde. Da wurde ich am Wegesrand überrascht, dort stand eine alte Couch und daneben war eine frische, sprudelnde Wasserstelle. Doch als ich näher kam, sah ich, dass ich nicht der einzige Gast war, der sich des frischen Wassers erfreute: es brummte und summte und dort wo das Wasser über den Stein floß, tranken die Bienen das beste Getränk unter der Sonne.

    So bildet dies nun den Abschluss dieser Ausgabe, ein Bild dieses Ortes und die Musik des selbigen zum Innehalten dazu.

  • In Fethiye

    Gerade warst du noch in der Stadt. Die Stadt, die etwas kleiner ist und doch alles bietet was du brauchst. Von Anfang an hattest du ein gutes Gefühl bei ihr und als du dich auf einen kleinen Platz setztest, umspielte sie dich mit ihrer Freundlichkeit und ihrem Duft.

    Nun stehst du vor den Toren der Stadt am Sandstrand, es ist so wunderbar warm, du kannst es kaum erwarten ins Meer zu springen.

    Alle Viere von dir gestreckt lässt du dich treiben, den Blick gen Himmel und der Moment wird zeitlos.

    Dann hebst du den Blick und siehst das weite Meer, siehst den langen Strand und auf der anderen Seite der Bucht siehst du die Stadt mit den dahinter thronenden Bergen. Berge, die so unwirklich dort erscheinen mit ihren schneebedeckten Bergkuppen.

    Doch was dich vollends sprachlos werden lässt ist die Gleichzeitigkeit. Du kennst das Meer und du kennst die Berge, aber beides in so schöner Art und Weise an einem Ort vereint?

    ~*~

    Am Abend suchst du dir mit einem dir so wichtigen Menschen einen Schlafplatz unter einem Baum am Strand. Ihr macht ein kleines Feuer und esst Nudeln mit Pesto und frischer Ochsentomate mit Göffeln aus dem Topf.

    Kurz vor dem Schlafengehen läufst du noch am Strand entlang zum Abendspaziergang, schreibst eben genau diesen Text, hebst dann den Kopf und über der Bucht geht der Mond auf.

    Zeit das Handy weg zu legen, my dear. Ja es mag sein, dass all das, die Schönheit, das Lebensgefühl, die Zeitlosigkeit zu groß erscheinen für dein Herz – aber da musst du jetzt durch.

    Gute Nacht


  • Über diese Reise

    Nun, da ich schon mehr als eine Woche unterwegs bin, ist es doch mal an der Zeit, über diese Reise selbst zu schreiben.

    Mittlerweile bin ich in der Westtürkei angekommen – Ayvalik um genau zu sein. Zusammen mit Laurin führte mich der Weg über Bukarest mit dem Zug und von dort aus mit dem Bus nach Istanbul. Dort verbrachten wir noch ein paar Tage, bevor wir dann, der Großstadt überdrüßig, das Weite suchten. Laurin mit dem Fahrrad, ich zu Fuß, mit dem Daumen oder was mir als sonstiges Gefährt so auf dem Weg begegnete.

    Die nächsten Wochen werden wir wohl so weiterreisen: Laurin mit dem Fahrrad und ich mit Besagtem und von Zeit zu Zeit begegnen wir uns wieder und verbringen Zeit zusammen – so auch heute Abend.

    Uns ruft sehr stark die Gegend rund um den Lykischen Weg. Es soll wunderschöne Ecken geben, eine Stadt der Mathematik, viele alte Städte, eine Bucht der Schmetterlinge und vieles mehr.

    Somit ist die nächste größere Station Izmir und von dort geht es dann an der Küste entlang nach Antalya.

    ~*~

    Nach der Türkei geht es durch den nördlichen Irak, sprich die Autonomieregion Kurdistan und von dort in den Iran.

    Doch der Weg nach dem Iran ist es noch offen. Die eine Möglichkeit ist über Pakistan nach Indien – also die schnelle Route. Die andere Möglichkeit ist über Turkmenistan, Usbekistan, Kyrgyzstan, China und dann von Norden nach Indien rein – also die Route „oben rum“.

    Oben rum ruft mich zum Zeitpunkt da ich dies schreibe mehr, doch wird sich noch zeigen welche der Möglichkeiten es werden soll – oder ob sich noch eine ganz andere Route offenbart.

    Aber erst einmal freue ich mich auf die nächsten Wochen. Die wiederholten Zusammentreffen und die Zeit mit Laurin, die Begegnung mit all den anderen Menschen auf dem Weg und auch die Zeit alleine beim Laufen und Schauen – all das lässt mein Herz höher schlagen.

    Auch euch liebe Menschen, die ihr das lest, halte ich im Herzen, trage ich gewissermaßen mit und weiß euch bei mir, so wie ihr mich bei euch wissen könnt.

    All die Liebe

    Jona

  • Ich danke Mehmet.

    Meinem Host für eine Nacht.

    Zwischen Olivenbäumen, Schafen und dem besten Wasser durfte ich eine erholsame Nacht bei ihm verbringen.

    Zusammen aßen wir, spazierten wir und führten lange Gespräche – ruhige Gespräche, Gespräche mit Pausen, mit Nachdenken und gleichzeitig der beidseitigen Freude am Austausch

    So einfach kann es sein. So schön kann es sein.

    Danke Mehmet.

  • Zwischenstopp in Balikeshir
    Innehalten am Waschplatz der Moschee
  • Auf der Fährfahrt von Istanbul nach Bandirma lese ich diesen Fragebogen, ausgefüllt von Ilma Rakusa: https://katjascholtz.de/frageboegen/ilma-rakusa/

    Auszüge daraus:

    Ich brauche Stille, Zeit, Konzentration. Schreiben ist für mich eine Art Meditation, also eine sehr kontemplative Tätigkeit, die aus sich selbst eine Eigendynamik entwickelt. Je mehr ich in die Worte hineinhorche, desto mehr geben sie her. Wie genau das geschieht, weiß ich oft selbst nicht, das ist das Faszinierende am Schreiben. Ich lenke – und werde gelenkt. Ich denke – und werde gedacht. Solche Momente sind beglückend. Irgendwann setzt die Kontrolle ein, das handwerkliche Knowhow. Aber der Flow ist unentbehrlich.

    Wovor hast du Angst?
    Meine persönlichen Ängste könnte ich in einer langen Liste aufzählen, aber das ginge zu weit. Zumal es mehr und mehr Ängste gibt, die uns alle umtreiben. Da sind der schreckliche russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Krieg in Nahost, deren Ende nicht abzusehen ist. Da ist die Sorge um das Klima, um den Vormarsch autoritärer Regime, um die Widerstandskraft der Demokratien. Eine Pandorabüchse ist auch die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Welche Welt uns in zwanzig, dreißig Jahren erwartet – wir wissen es nicht. Die Verunsicherung jedenfalls ist groß.
    Um nicht so düster zu enden, zitiere ich mein „Gedicht gegen die Angst“ aus dem Band „Impressum: Langsames Licht“. Ich habe es als Abwehrzauber geschrieben, in der Hoffnung, dass er bei vielen Lesern und Leserinnen wirkt:

    Streichle das Blatt
    küsse den Hund
    tröste das Holz
    hüte den Mund
    zähme den Kamm
    reime die Lust
    schmücke den Schlaf
    plätte den Frust‘
    neige das Glas
    wiege das Buch
    liebe die Luft
    rette das Tuch
    schaue das Meer
    rieche das Gras
    kränke kein Kind
    iss keinen Frass
    lerne im Traum
    schreibe was ist
    nähre den Tag
    forme die Frist
    lenke die Hand
    eile und steh
    zögere nicht
    weile wie Schnee
    öffne die Tür
    lade wen ein
    schenke dich hin
    mache dich fein
    prüfe dein Herz
    geh übers Feld
    ruhe dich aus
    rühr an die Welt


    Rückblick Istanbul

  • Istanbul bei Nacht
  • Hände beim Schauen aus dem Zugfenster

    Reiselektüre

    Und trotzdem ja zum Leben sagen – Viktor Frankl

    Ich las das Buch zum ersten Mal auf dem Rückweg der Auschwitz Reise. Nun lese ich es also zum zweiten Mal.

    Beim letzten Lesen ging es viel um die Erlebnisse dieser Menschen. Und während auch diesmal die Worte mich nicht kalt lassen, so hat es diesmal mir selbst noch persönliche Anstöße gegeben. Anstöße besonders in Bezug auf die vergangenen Monate, die dunkle und schwere Phase mit Sono. Mein Schicksal ist bei weitem nicht vergleichbar mit dem seinigen und doch ist gerade das Besondere an seinem Buch, dass er seine Lehren als universell anwendbar verfügbar macht. Mir hat er damit geholfen wieder in die Leichtigkeit, in das Akzeptieren und in das Geben zu gehen. Gerade diese Stelle klang an:

    Wir müssen lernen und die verzweifelnden Menschen lehren, daß es eigentlich nie und nimmer darauf ankommt, was wir vom Leben noch zu erwarten haben, vielmehr lediglich darauf: was das Leben von uns erwartet!

    […]

    so zwar, daß wir nicht mehr einfach nach dem Sinn des Lebens fragen, sondern daß wir uns selbst als die Befragten erleben, als diejenigen, an die das Leben täglich und stündlich Fragen stellt – Fragen, die wir zu beantworten haben, indem wir nicht durch ein Grübeln oder Reden, sondern nur durch ein Handeln, ein richtiges Verhalten, die rechte Antwort geben. Leben heißt letztlich eben nichts anderes als:
    Verantwortung tragen für die rechte Beantwortung der Lebensfragen, für die Erfüllung der Aufgaben, die jedem einzelnen das Leben stellt, für die Erfüllung der Forderung der Stunde.

    Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry – Rachel Joyce

  • Im Zug Richtung Wien.
    Er ist spät dran.
    Laurin wartet dort.
    Ich sitze auf heißen Kohlen.
    Kommen wir noch pünktlich für den Anschlusszug?

    ~*~

    Bepe, ein Reisender aus Linz, quatscht alle an.
    Ein paar hat er schon verscheucht.
    Eine ältere Dame, er und ich kommen ins Gespräch.
    Er erzählt von Amsterdam.
    Ob ich schon einmal in Amsterdam gewesen sei.
    Er prahlt damit was er alles schon in Amsterdam gemacht habe.
    Dann wendet er sich an die ältere Dame, ob sie schon einmal in Amsterdam gewesen sei.
    Die ältere Dame lächelt.
    Aber sie lächelt nicht nur irgendwie, sie lächelt so verschmitzt wie man nur verschmitzt lächeln kann. Ja, gar die Königin der Verschmitztheit ist sie in diesem Moment – und alle müssen laut loslachen.

    Ach das Leben ist schön.
    Die Reise geht los.


    Es wiegt der Nachtzug in den Schlaf

  • Abreise